Mir war kalt. Eigentlich seit Beginn der Schwangerschaft. Es gibt ein Foto von mir, wie ich in einem dicken gestrickten Pulli ein Magnum- Eis esse, so ein veganes mit Mandeln.
Ich erinnere mich, wie ich meinen Mann nachts bat, das Fenster im Schlafzimmer zu öffnen, wie ich etwas wusste, was ich noch nicht wusste.
Ich erinnere mich auch, morgens aufzuwachen, und kurz vergessen zu haben, dass etwas und was passiert war. Einen Moment Ruhe. Und mich dann zu erinnern, dass es kein Alptraum gewesen ist. Ich erinnere mich nicht, wann das aufhörte, also wann ich morgens wieder aufwachte, ohne mich ‘nicht’ zu erinnern.
Meine Frauenärztin, die den Ultraschallmonitor von mir wegdrehte.
Die Worte der Gynäkologin im Krankenhaus, als sie mir nachts die Aufklärung zum Unterschreiben überreichte (als wenn ich die jetzt lesen würde) - wenn Sie das so wollen… Nein, ich will das nicht. so. Hauptsache, Sie operieren mich nicht, brachte ich hervor, den Eimer mit dem Plastikbeutel umklammernd. Darauf bin ich immer noch stolz. Wie ich aus der Narkose aufwachte, und eine meiner Lieblingskolleginnen da war, und ich mich fühlte wie in Watte gepackt (auf eine gute Weise).
Die Kollegin, die 2 Tage nach ihrer Fehlgeburt schon wieder arbeiten war, oder war es am selben Tag? Ich weiß es nicht, ich konnte das nicht, ich konnte ein paar Wochen nicht arbeiten, und habe mich geschämt.
Ich hatte viel Besuch.
Wie ich meinem Mann eine Statistik präsentierte, wie viele Paare sich nach einer Fehlgeburt trennen, es war eine ganz schön hohe Zahl. Ich habe gedacht, ich kann das schon verstehen. Es gibt Risse.
Ihr könnt es ja einfach wieder versuchen, es klappt bestimmt bald wieder. Mir war gar nicht klar, dass ich einen Kinderwunsch hatte, also vor dieser Schwangerschaft, und vor der Fehlgeburt, und jetzt konnte ich an nichts anderes denken, und wusste irgendwie, dass das nicht so einfach werden würde. (was nicht bedeutete, dass ich nicht trotzdem immer wieder hoffte).
Wo kommen eigentlich diese ganzen Schwangeren her? (dieses Gefühl von Neid- Verwunderung- Traurigkeit ist immer noch manchmal da, und manchmal nicht, was ich interessiert beobachte)
Vor zwei Wochen noch, als ich bei einem beruflichen Treffen darüber sprach warum ich das hier mache, was ja auch mit dieser Geschichte zusammenhängt, sagte jemand*: “Aber das ist ja ganz häufig, beim ersten Kind. Dass das schief geht.” Schief? Das war nicht meine erste Fehlgeburt, murmelte ich, nur die späteste. Warum ist das wichtig? Ist es dann weniger schlimm?
*sie war Kinderwunschcoach- das könnte ich mir nicht ausdenken.
Was bedeutet eigentlich schlimm? Vielleicht hätte ich das alles nicht so schlimm finden müssen, es hätte schließlich schlimmer sein können, viel später, oder ich hätte das Kind schon in den Armen gehalten haben können, was ich nicht habe, und doch-
Ich weiß wirklich nicht, warum Schmerz und Trauer und Tod und Verlust so Nicht- Themen sind.
Warum sofort der Instinkt entsteht, wegzuwischen, zu trösten, zu mindern. Ich verüble es niemandem. Ich verstehe es sogar (meistens). Aber es braucht mehr Begegnungen, die das halten können. Mehr wahrhaftige Geschichten.
Das hier ist ein Text, der noch wächst, der sich verändert, und auch schon verändert hat, und immer näher dran kommt an das wie es war, oder wie ich mich daran erinnere, und mutiger wird. Er darf hier so stehen, wie er gerade ist und noch wird, noch ungeschliffen und größtenteils uneditiert, und dann weiter wachsen. Denn: so kann sich vielleicht jemand beim Lesen schon mal weniger alleine fühlen (die Chance ist in jedem Fall höher, als wenn die Worte gar nicht sichtbar sind). ❊